Wie lange wird der Handel noch übervorteilt?

Deutschlands Autokäufer entzogen dem Automobilhandel im 1. Quartal des Jahres bislang die Gunst.

Deutschlands Autokäufer
entzogen dem Automobilhandel
im 1. Quartal des Jahres bislang die Gunst.

Bereits Ende letzten Jahres wies der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) darauf hin, dass 2013 ein mühsames Jahr für das Kfz-Gewerbe werden würde. Besondere Schwierigkeiten erwartete er im Pkw-Neuwagenhandel und prognostizierte fürs Gesamtjahr etwa 2,9 Mio. Zulassungen (2012 = 3,083 Mio.). Die Hersteller und Importeure bewerteten die Situation positiver und gaben nach Angaben des Verbandes eine illusorische Marktgröße von 130% vor. Demnach rechnete die Industrie mit ungefähr 3,77 Mio. Zulassungen! Das die Planungsstrategen in den Werken eine solche Milchmädchenrechnung aufgestellt haben, bestätigt indirekt Professor Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Er gibt die Überkapazitäten in Europa mit mindestens 25% an, die ja irgendwie an den Mann gebrachte werden müssen. Für die Händler hieß das, sie mussten sich in den Planungsgesprächen im letzten Jahr wieder einmal mit ihren Industriepartnern wegen zu hoher Abnahme-Volumina herumschlagen. Raten Sie mal, wer den Kürzeren zog? Es geht sage und schreibe um 870 000 neue Fahrzeuge, die die Hersteller und Importeure glauben, in diesem Jahr zusätzlich in den Markt pumpen zu können – trotz Absatz-Flaute und trotz eines auf  Ersatzbedarf geschrumpften realen Marktes von rund 3 Mio. Pkw. Welch ein Irrsinn! Bei einem durchschnittlichen Neuwagenpreis von 26 780 € (2012, DAT) sprechen wir hier über +/- 23,3 Mrd.€, für die der Handel früher oder später gerade stehen muss, ohne große Chancen, diese jemals refinanzieren zu können.

Wie zu erwarten, sind die Spekulationen der Hersteller- und Importeure völlig an der Realität vorbei. Schon im 1. Quartal hinkt der Neuwagenabsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um nahezu 100 000 Einheiten (-12,9%) und mehr noch, den Industrie-Vorstellungen hinterher. Somit gleicht sich der Markt schon Anfang des Jahres, in der Hochrechnung bis Dezember, den vom ZDK vorausgesagten 2,9 Mio. Erstzulassungen verdächtig nahe an. Da kann nun wirklich nicht von normalen, geschweige denn rosigen Aussichten für den Automobilhandel gesprochen werden. Es sei denn, in den kommenden Monaten tritt eine merkliche Belebung des Geschäfts ein. Aber so recht glauben mag daran keiner. Wenn die Käufer weiterhin dem Handel die Gunst entziehen, dann droht ihm, der automobile Himmel auf den Kopf zu fallen. Seine finanziellen Spielräume sind jedenfalls äußerst begrenzt, was auch den Herstellern und Importeuren bekannt sein dürfte. Bei durchschnittlichen Renditen in den letzten Jahren von weit unter den notwendigen 4%, sind horrende Lagerbestände nahezu tödlich.

Die Folgen der schwachen Nachfrage und des hohen Lagerdrucks, sind allenthalben abzulesen: So erreichten die Eigenzulassungen von Industrie und Handel im 1. Quartal des Jahres die schwindelerregende Höhe von 217 730 Einheiten (32,2% der Gesamtzulassungen). Darunter sind Fabrikate, die durchaus die 40%- und 50%-Schallgrenze in der Monatsbetrachtung durchbrechen. Demgemäß wurde jeder dritte Pkw von Herstellern und Handel selbst zugelassen! Insgesamt 900 000 waren es im letzten Jahr, 300 000 zuviel, wie der ZDK zu Recht meint. Ein nicht unerheblicher Teil der taktischen Zulassungen taucht nach kurzer Zeit als (junger) Gebrauchter im GW-Markt wieder auf. So ist das mit der Statistik. Als Hersteller nur nicht schlecht dastehen. Deshalb kräftig manipulieren. Dieses berücksichtigt, erscheinen die Zulassungen in 2012, aber erst recht im 1. Quartal dieses Jahres, in einem wesentlich schlechteren Licht.

Verschleierte Zulassungszahlen sind für den Handel nicht das wirkliche Problem. Er muss zusehen, den Kostendruck des zwangsaufgeblasenen Neuwagenbestandes auf ein zumutbares Maß zu reduzieren und die ausgeschriebenen Hersteller-Boni mitzunehmen. Eigenzulassungen sind für diesen speziellen Fall ein beliebtes Instrument. Finanziell gesehen sind sie aber ein Fiasko. Denn für die Betriebe ändert sich durch diesen Taschenspielertrick im ersten Moment rein gar nichts. Das ist nur linke Tasche, rechte Tasche. Denn die Einkaufswerte belasten nach wie vor das Unternehmen. Aus neu wird lediglich gebraucht. Der kapitalbindende Fahrzeugbestand bleibt nach wie vor erhalten. Die Aussichten, die Gebrauchten eher zu vermarkten, sind allerdings besser, als auf kaufwillige Neuwagenkäufer zu warten. Schmerzlich dabei sind jedoch die Verluste, die der Handel mit den Neu-Gebrauchten einfährt. Solche kaufmännische Glanzleistungen kann er sich eigentlich nicht leisten, aber es bleibt ihm in vielen Fällen nichts anderes übrig, will er seine Kreditlinien nur annäherungsweise bedienen.

Bei allem Jammern gilt es nun, in die Hände zu spucken, um die letzten Reserven aus dem Markt herauszuholen. Aber jeder weiß, in einem lustlosen Käufermarkt sind solche Anstrengungen endlich. Und sie sind nahezu wirkungslos, wenn es sich nicht nur um temporäre Krisen handelt, sondern wenn sich Grundsätzliches im Automobilvertrieb verändert hat. Mit Letzterem, hat der Automobilhandel schon lange zu kämpfen. Er versieht seine Geschäfte nach wie vor unter Rahmenbedingungen, die zwar einstmals stimmten, heute aber absolut ungeeignet sind, Geld im Neuwagengeschäft zu verdienen. Infolgedessen wird dieser Geschäftszweig seit Jahren von den Service-Abteilungen subventioniert. Merkantil betrachtet ist das ein Unding, das endlich sein Ende haben muss. Abhilfe schaffen hier sicherlich keine altbekannten Vertriebsaktionen oder Feinjustierungen an stereotypen Stellschrauben. Vielmehr muss die gesamte Vertriebspolitik neu ausgerichtet und auf die veränderten Marktverhältnisse angepasst werden. Da sind dann beide, Hersteller/Importeure und Handel gefordert, zusammen neue Geschäftsmodelle zu schaffen, bei denen alle Beteiligten und Betroffenen einen Nutzen erzielen. Auch das gedeihliche Miteinander gehört dazu. Wie wäre es denn, wenn sich alle bei der Neupositionierung ins Stammbuch schrieben: Jeder respektiert jeden, die Interessen der gleichwertigen Partner werden ausreichend berücksichtigt und für einen positiven Ausgleich wird gesorgt. Sie meinen das wäre unrealistisch. Hoffentlich haben Sie kein Recht!

Ernst Haack

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