Die Krux mit der Automobilwerbung

Automobilwerbung

Quelle: VW Video-Clip »onething«

Automobilwerber haben es heute nicht leicht. Sie sind gehalten, in gesättigten Märkten, Produkte werblich so darzustellen, dass sie sich von Konkurrenzprodukten abheben, Intresse wecken und im günstigsten Fall zum Kauf anregen. Das ist beileibe keine leichte Aufgabe, denn alle Wettbewerber, haben die gleiche Pflicht zu erfüllen. Gern bedienen sie sich dabei dem sogenannten einzigartigen Verkaufsargument, auch natürlicher USP genannt (Unique Selling Proposition). Hierbei handelt es sich um ein Alleinstellungsmerkmal, das sich direkt aus dem Produkt, seiner Herstellung oder seinen Eigenschaften ableitet, wie etwa der Quattro-Antrieb von Audi oder der serienmäßige Hybrid-Antrieb im Toyota Prius. Allerdings sind heute die aus einem Produkt resultierenden herausragenden, einzigartigen Eigenschaften im Automobilbau äußerst rar geworden, obwohl die Automobilindustrie genügend Herausforderungen zu meistern hätte. Etwa Strategien zu entwickeln, die zu bezahlbaren Automobilen führen. Im letzten Jahr lag der durchschnittliche Neuwagenpreis laut Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen knapp bei stolzen 25 900 €. Das verfügbare Nettoeinkommen der privaten Haushalte betrug nach der Statista GmbH dagegen gerade mal 1 345 €! Zahlen, die für sich sprechen. Wer kann sich da noch ein neues Gefährt leisten? Lösungen aus diesen oder vergleichbaren Aufgabenstellungen sind dringend nötig und wären wunderschöne USPs, die den Werbern sehr gefallen würden. Aber sie haben schon seit längerem lediglich durchweg herkömmliche automobile Konzepte, eben alles schon mal Da-Gewesene, zu vermarkten. »Natürliche USPs« – Fehlanzeige, sind leider schon alle (von der Konkurrenz) besetzt.

Dennoch bleibt die Aufgabe, gegenüber den Wettbewerbern Vorteile herauszuarbeiten. Hier wenden die Werbeprofis einen Kunstgriffe an und konstruierten einfach USPs, die Produkte anders oder besser erscheinen lassen sollen, als die sonst gleichwertigen Konkurrenzprodukte. Das sind rein werbliche Konstrukte, die sich nicht auf messbare oder technisch überprüfbare Argumente stützen. Beliebte Felder waren bisher Marken- bzw. Produktimages, Services oder auch Dienstleistungen, die Autokäufern einzigartigen Nutzen versprachen. Da diese Felder noch erkennbar Bezug zu den eigentlichen Produkten haben, sind diese Werbeversprechen, wenn sie nicht völlig abstrus waren, immer noch als glaubwürdig einzustufen und hatten Chancen, von Käufern akzeptiert zu werden.

Aber längst haben die Werber sich von der produktbezogenen respektive der produktangelehnten Werbung verabschiedet und suchen zunehmend ihr Glück in der Lifestyle-Werbung. Die heile Welt wird suggeriert und alle Attribute des Lifestyles, wie Glückseligkeit, Traum, Wunsch, Hoffnung, Fantasie, Fiktion, Spass, aber auch Irrealität stehen im Mittelpunkt. Über Reales wird dabei nonchalant hinweg gesehen. Ach ja, Auto und Absender der Werbebotschaften geben sich am Ende dann eventuell doch noch zu erkennen. Nehmen wir mal den Einführungs-Werbeclip »onething« des VW Golf VII. Es könnte aber auch irgendein Video eines anderen Herstellers sein. Das Strickmuster ist überall das Gleiche und vielzählig kopiert. Aber bleiben wir beim Spot der Wolfsburger. Hier darf der unbefangene Zuschauer von Beginn an rätseln, um welche Werbung es sich eigentlich handelt? Um die von Rewe, Allianz, Bacardi, TUI oder Honda? Nervende und abgedroschene Fröhlichkeit, Unbeschwertheit und Ausgelassenheit bei jeder Gelegenheit, ohne Produktbezug, als gäbe es nichts anderes. Da stellt sich die Frage: Was will diese emotional aufgeladene Werbung bezwecken? Aufmerksamkeit wecken für den neuen Golf VII? Welch ein Irrglaube, wo wir tagtäglich von jedermann mit dieser Art der Werbung zugeschüttet werden. Ein Alleinstellungsmerkmal für VW ist das wahrlich nicht. Es ist eher der Ausdruck der Hilflosigkeit der VW-Werber, ihrem neuen Produkt einen maßgeschneiderten Anfangs-Auftritt zu verschaffen. Imitation war und ist kein Erfolgsrezept. Konsequenz: Schnell ab- oder umschalten!

VW hat laut Nielsen nur im ersten Halbjahr 2012 insgesamt 93 Mio. € für Online-Werbung ausgegeben. Für das Gesamtjahr wird sicherlich ein gewaltiger Betrag zustande kommen, an dem VWs Neuster einen außerordentlichen Anteil haben wird. Angesichts des Golf VII-Videos »onething« erscheinen diese Ausgaben allerdings in einem besonderen Licht. Der Verdacht, der Autobauer hätte diese Werbegelder auch anders investieren können, drängt sich da förmlich auf. Etwa für die direkte Verkaufsförderung. Die Händler hätten das sicherlich sehr begrüßt, in Zeiten stagnierender bis rezessiver Märkte adäquate Überstützung vom Werk zu erhalten. Dem nachhaltigen Auftragseingang würde das gut tun.

Auch wenn dieser Spot nur ein Teil einer gesamten Kampagne ist, wundert es schon, welchen werblichen Start der Autobauer für sein Butter und Brot-Auto in der digitalen Welt wählte. Bleibt zu hoffen, dass die nachfolgenden Bestandteile des Werbemix glaubwürdiger sind und die erhoffte Akzeptanz gewinnen. Sonst manövrieren sich die Wolfsburger noch ins kommunikative Abseits!

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