Fabrikatshändler sind alternativlos

Ungleich SchattenGrafik Ungleichheitszeichen

Ungleiche Machtverteilung
kennzeichnen die Hersteller-
Händler-Beziehungen.

In Zeiten eines härteren Geschäftes wird oft eine härtere Gangart eingelegt. An sich ist das eine Binsenweisheit und darf nicht verwundern. Denn immer wenn schwierige Situationen zu meistern waren, Ziele nicht mehr erreicht wurden, wuchs der Druck auf die Akteure und korrektes Verhalten, wie auch standesgemäße Kommunikationsmuster wurden verändert. Das hat nahezu schon jeder erlebt und im beruflichen Alltag als Normalität eingestuft. Harmonie allenthalben erwartet wohl auch niemand im Berufsleben. Sie müssen zugeben, das wäre auch langweilig. Kleine Scharmützel gehören dazu, lassen sich auch nicht vermeiden. Denn nicht alle Mitarbeiter, Kollegen und Geschäftspartner sind gute, reine Menschen, ohne Fehl und Tadel. Aber wenn fehlendes Feingefühl und strenges, gar rücksichtsloses Vorgehen einen Grad der Erträglichkeit übersteigen, dann sind Konflikte vorprogrammiert, die nicht heilende Wunden reißen können. Besonders schmerzlich sind solche, die entstehen, wenn der eine seine Machtposition missbraucht, um das Verhalten des anderen, auch gegen dessen Überzeugung, verändern will oder um ihn zu übervorteilen.

Automobil-Markenhändlern dürfte das bekannt vorkommen. In ihren sogenannten „Partnerschaften“ mit den Herstellern/Importeuren sind unvereinbare (Verhaltens-)Ziele und die daraus resultierenden vertraglichen oder qua Machtposition festgelegten Maßnahmen ein Dauerthema. Hauptsächlich die kleinen und mittelständisch geführten Familienbetriebe leiden seit Jahren darunter und beklagen die Dominanz der Industrie und wie sie die Vorherrschaft in der Zusammenarbeit, besonders in harten Zeiten, bedenkenlos auslebt.

Dem Lebensmitteleinzelhandel etwa ging es einst auch nicht anders. Er war in der Machtverteilung zwischen Hersteller und Handel nicht mehr als ein Erfüllungsgehilfe. Aber das hat sich grundlegend geändert. Heute diktiert der Einzelhandel und nicht mehr die Hersteller. Gründe dafür sind unter anderem die bis zur Unüberschaubarkeit zugenommene Marken- und Produktvielfalt und ihre nahezu kostenneutrale Austauschbarkeit in den Verkaufsregalen so wie das Verbot der vertikalen Preisbindung, die es dem Einzelhandel erlaubt, seine Verkaufspreise selbst zu kalkulieren.

Von solchen Machtverhältnissen ist die Automobilbranche meilenweit entfernt. Hier stellt sich die Zusammenarbeit allerdings auch vielschichtiger und verzahnter dar. Anders als beim Lebensmitteleinzelhandel sind Automobilhändler integraler Bestandteil der Marken und repräsentieren die Hersteller/Importeure in der Öffentlichkeit, speziell jedoch in den anvisierten sowie angestammten Zielgruppen. Sie distribuieren nicht nur Produkte wie der Lebensmitteleinzelhandel, sondern sie sind in Auftritt, Verhalten sowie Leistungsbreite und -niveau (Vertrieb, Aftersales) sehr stark in die Marken- und Vermarktungsphilosophen eingebunden. Zurecht und verständlicherweise will die Industrie Einfluss auf die Vermarktungsbereiche des Handels nehmen. Schließlich hängt auch davon der Erfolg der Produkte ab. Dazu haben sie ein Bündel von vertraglichen Vorgaben und Anreizen geschnürt, die von baulichen Richtlinien nach Corporate Design der Hersteller über vorgeschriebene Kommunikationssysteme und verpflichtende, auch margenrelevante Schulungsmaßnahmen bis hin zu zusätzlichen Bonuszahlungen für positiven Automobilabsatz reichen. Einerseits unterstützen diese enge Bindungen und Verflechtungen den Verkauf der Fahrzeuge und die nachgelagerten Leistungen (Aftersales, Fahrzeugfinanzierungen etc.), festigen bzw. fördern unter Umständen sogar die Wettbewerbsfähigkeit der Organisationen. Andererseits und das ist schwerwiegend, charakterisieren sie ein ungleiches Machtverhältnis in der Partnerschaft. Indem Hersteller/Importeure stark in die Vermarktungslinien eingreifen und Vorgehensweisen durchaus diktieren, schränken sie den eigenständigen Handels- und Handlungsspielraum der (selbstständigen!) Händler deutlich ein. In der Konstellation Hersteller-Handel sitzen die Händler unbestreitbar am kürzeren Hebel und sind ihren Industriepartnern im großen und ganzen ausgeliefert. Gerade in Zeiten angespannter Geschäftslagen leiden immer mehr Vertragshändler unter ihrem Machtdefizit; der Ton wird rauer und der Druck der Industrie wird bisweilen auf ein Maß des Unerträglichen erhöht. Hoffnungen, dass sich an diesen Verhältnissen künftig etwas zum Positiven wenden könnte, bestehen schon lange nicht mehr.

Nun könnte mancher meinen, unter solchen Auspizien wäre es doch sinnvoll, sich von seinem Hersteller/Importeur zu trennen und sich Alternativen zu zuwenden. Aber ehrlich gesagt, Wahlmöglichkeiten hat der einzelne Händler kaum. Es sei denn, er will seine Profession gänzlich aufgeben. Aber wer kann das schon? Steckt doch in vielen Fällen das zur Altersversorgung notwendige Kapital im Betrieb, das bei Aufgabe des Unternehmens nicht annäherungsweise für einen geruhsamen Lebensabend oder eventuell für den Start in einen anders gearteten beruflichen Werdegang, auch der Nachfolgegenerationen, ausreichend monetarisiert werden kann. Und da sind ja auch noch die Mitarbeiter, gegenüber denen eine soziale Verpflichtung besteht. Der Rat, zu einem anderen Fabrikat zu wechseln, ist auch keine gute Empfehlung. Der Wechselkandidat käme nur vom Regen in die Traufe. Denn die Mechanismen in den unterschiedlichen Markenorganisationen sind überall die gleichen und der Wunsch nach echter Partnerschaft ist hier wie dort Utopie. Dem Händler bliebe doch nur wieder die Rolle des (Junior-)Partners mit wenig Rechten, aber sehr vielen Pflichten. Außerdem ist ein Fabrikatswechsel nicht zum Nulltarif zu haben, sondern mit erheblichen Kosten verbunden. Ein weiterer Weg wäre der in die „Freiheit“. Aber die Erfahrungen haben gezeigt, dass Fabrikatshändler, die jahrelang in einer Markenorganisation mit vorgegebenen Strukturen ihr Geschäft betrieben haben, sich äußerst schwer tun, im freien Markt zu bestehen. Streng genommen ist der Handel also alternativlos.

Allein diese Tatsache verleiht der Industrie eine beherrschende Machtposition, die durch die massive Einflussnahme auf die Vermaktungsressourcen des Handels zusätzlich gefestigt wird. Gegen Einmischen in die Händler-Geschäftspolitik und mögliche Sanktionen durch die Industrie können Vertragshändler sich deshalb kaum wehren. Dabei bilden Hersteller/Importeure und Handel eine Art Schicksalsgemeinschaft, deren gemeinsames Ziel es doch sein muss, größtmöglichen Erfolg bei der Vermarktung der Primär- (Automobil) und Sekundärleistungen (Aftersales) zu erreichen. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass dieses Vorhaben nur gelingen kann, wenn die zweifellos vorhandenen unterschiedlichen individuellen Ziele beider Parteien aufeinander abgestimmt sind. Keinesfalls aber wenn sie von einer Seite diktiert und gegen die Überzeugung des anderen durchgesetzt werden. Natürlich wird es immer wieder unterschiedlich Auffassungen geben, aber sie müssen im gegenseitigen Vertrauensverhältnis und Respekt auf einen Nenner gebracht werden. Und auch dabei gilt, der Ton macht die Musik. Die vielzitierte Partnerschaft stellt sich aber ganz anders dar. Sie ist nicht selten von Zerrissenheit, Entfremdung und Feindseligkeit gekennzeichnet.
Wer möchte da heute noch Automobilmarkenhändler sein?

Ernst Haack

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