Elektromobilität: Interesse ja, Angebot unattraktiv

Foto: Nissan

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Eine Millionen Elektroautos, so einst die Bundesregierung, sollen bis 2020 in Deutschland zugelassen sein. Für 2030 visiert sie schon sechs Millionen Pkw-Stromer an. Prognosen, die aus heutiger Sicht wohl erheblich revidiert werden müssen. Denn bis Ende letzten Jahres betrug der Bestand an ausschließlich vierradgetriebenen E-Personenwagen gerade mal rund 7500 Einheiten. Darin enthalten sind etwa 3000 neue Volt-Pkw-Verkäufe. Hoffnungen, dass die Jahres-Zulassungen in Zukunft signifikant steigen werden, sind wohl nicht berechtigt. Das liegt nicht am fehlenden Interesse der Käufer. Ganz im Gegenteil: Die Kaufbereitschaft steigt zusehends. Laut einer Studie der GFK liegt das Gesamtkäuferpotenzial für ganz oder teilweise elektrisch betriebene Fahrzeuge bei rund 18 Millionen Personen. Allerdings stellen sie konkrete Ansprüche an fossilenlos angetriebene Untersätze. Und hier offenbart sich das ganze Dilemma der Elektromobilität. Sie ist aus Sicht der potenziellen Käufer im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen nicht wettbewerbsfähig, da die am Markt befindlichen Produkte die Erwartungen derzeit und vermutlich auch in absehbarer Zeit nicht erfüllen. Niedrigere Anschaffungskosten, gravierende Einsparungen bei den Betriebskosten, höhere Reichweiten, Geschwindigkeiten von mindestens 150 km/h und eine ausreichende, Strom versorgende Infrastruktur sind neben Komfort-, Design- und Technologiefragen die wichtigsten Forderungen. Eines zeigt die Situation deutlich: Politik, Automobilindustrie und Stromwirtschaft müssen die Wünschen der Autofahrer erfüllen, wollen sie der Elektromobilität zum Siegeszug verhelfen. Der andere Weg, die Konsumenten an teure Investitionen und technischen Beschränkungen anzupassen wird nicht funktionieren. Schon immer galt, Kunden lassen sich nicht erziehen oder missionieren. Sie bestimmen ihr Verhalten selbst und ändern ihre gefühlsmäßige Überzeugung nur schwer.

Der Erfolg der Elektromobilität hängt schlussendlich auch von der Vermarktung ab. Dem Automobilhandel sind neue Produkte immer herzlich willkommen, wenn denn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermarktung stimmen. Aber leider hapert es auch hier. Die Industrie forscht und entwickelt zwar weiterhin intensiv an der Elektrifizierung des Antriebsstrangs, um die technologische Misere irgend wann einmal zu beheben, vernachlässig bisher jedoch differenzierte und nachhaltige Vermarktungskonzepte in Angriff zu nehmen. Mit eingefahrenen Vorgehensweisen versucht sie ihre nicht alltagstauglichen Elektroautos an den Mann zu bringen.

Der japanische Hersteller Nissan praktiziert das besonders konsequent. 15 Nissan-Partner erhielten ihre Kündigung, da sie den Zusatz zum Händlervertrag nicht akzeptieren, zusätzlich Elektrofahrzeuge zu vermarkten. Angesichts der Marktunreife des Nissan Leaf und der daraus folgenden geringen Erfolgschancen ist das mehr als verständlich. Wer kann und will denn schon auf einen lahmen Gaul für stolze 36 990 € setzten, der zudem 6 000 € Basis-Investition (zwei Ladestationen, ohne Installation, Ersatzteile) und weitere Kosten für einen Vorführwagen sowie für Aus- und Weiterbildung der Verkauf/Service-Mitarbeiter fordert. Es ist nicht Aufgabe der Händler, auf eigene Kosten halb gare Ware zu vermarkten. Es ist Aufgabe der Hersteller, wettbewerbsfähige und von Kunden akzeptierte Produkte in ihr Verkaufsprogramm aufzunehmen. Es käme auch keiner auf die Idee, heute ein Tablet-PC auf den Markt zu bringen, der alle halbe Stunde aufgeladen werden muss, den Preis eines hochgerüsteten Apple MAC Pro ausweist und über die Leistung eines Commodore 64 verfügt.

Obwohl die Automobilindustrie Milliarden in Forschung und Entwicklung der Elektromobilität investiert, steckt sie technologisch in puncto Elektroauto noch tief in den Kinderschuhen. Vor allem Batteriekapazität, Preis und Leistung sind noch völlig inakzeptabel. Außerdem fehlt eine flächendeckende Auflade-Infrastruktur. Dennoch, das Interesse an der Elektromobilität bei Deutschlands Autofahrer ist trotz aller technischen und strukturellen Unzulänglichkeiten nach wie vor ungebrochen. Fragt sich nur wie lange noch? Zu wünschen ist, dass die Automobilindustrie und ihre Partner (!) in den Vertriebsorganisationen zum Vorteil aller bald attraktivere Angebote präsentieren können.

Ernst Haack

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